Googles KI-Übersicht fasst Nachrichten und Inhalte von Webseiten zusammen – und lässt dort Klicks und Werbeeinnahmen einbrechen. Erste Medienunternehmen reagieren mit Entlassungen
Das 95 Jahre alte Wirtschaftsmagazin „Fortune“ will zehn Prozent seiner Belegschaft entlassen. CEO Anastasia Nyrkovskaya schrieb in einer E-Mail, die Gründe dafür seien unter anderem Künstliche Intelligenz (KI) und der daraus resultierende Einbruch des Webseiten-Traffics.
„Fortune“ ist damit nur eins von vielen Medienunternehmen, die im Jahr 2025 Mitarbeitenden kündigen: Unter anderen hatten auch „Business Insider“ und „Bloomberg“ angekündigt, Stellen abzubauen. Auch „Business Insider“-Chefin Barbara Peng nannte empfindliche Webseiten-Trafficverluste als einen der Gründe.
Hintergrund ist: Ein erheblicher Teil der Nutzer gelangt über Anfragen bei der Suchmaschine Google auf Nachrichtenseiten. Seit Mai 2024 beantwortet Google Suchanfragen auch mit einer KI-Übersicht. Auf Fragen wie „Wie geht es der deutschen Wirtschaft?“ oder „Worum geht es im Ukrainekrieg?“ zeigt die Suchmaschine zunächst einen KI-generierten Text an. Links zu den Seiten, die die eigentlichen Inhalte generieren, wie Tagesschau.de, das Institut der deutschen Wirtschaft oder das Magazin „Spiegel“, folgen erst weiter unten.
Studien: KI-Übersicht lässt Traffic einbrechen
Eine aktuelle Studie von Pew Research kommt zu dem Ergebnis, dass Nutzer, denen von Google eine KI-Übersicht serviert wird, nur etwa halb so oft auf weiterführende Links klicken wie Nutzer, denen keine KI-Übersicht angezeigt wird. Laut der Studie beenden Nutzer ihre Suche auch öfter ganz, nachdem sie eine KI-Zusammenfassung gesehen haben.
Dabei geht es um einen signifikanten Teil der Suchanfragen: So sollen laut Pew Research 18 Prozent der Google-Suchen mit einer KI-Übersicht beantwortet worden sein. Eine Studie von Authoritas Analytics kommt zu dem Ergebnis, dass selbst Seiten, die vormals zu bestimmten Suchanfragen auf Platz eins des Google-Rankings rangierten, bis zu 79 Prozent ihrer Anfragen verlören. Google selbst warf den Studienautoren im Gegenzug vor, fehlerhaft zu sein: Google würde jeden Tag Milliarden von Klicks an Webseiten senden und könne keine dramatischen Einbrüche feststellen, zitiert der „Guardian“ einen Google-Sprecher.
Google-KI vs. Google-Sprecher
Kurios: Dabei scheint Googles KI diese Frage anders zu beantworten als das Unternehmen Google selbst: Wenn man in der Google-Suche beispielsweise die Frage eingibt: „Warum hat das Magazin Fortune Mitarbeiter entlassen?“ wird durch Googles KI-Übersicht recht deutlich erklärt, wie Entlassungen, KI und Traffic zusammenhängen. So schreibt Googles KI: „Das Magazin Fortune hat Mitarbeiter entlassen, weil sich die Medienlandschaft durch künstliche Intelligenz (KI) und den Rückgang des Website-Traffics stark verändert hat.“
Dabei leben viele Medienunternehmen davon, dass Menschen auf Inhalte auf ihren Webseiten klicken. Jetzt fürchten sie, dass Googles KI-Übersicht dieses Geschäftsmodell untergräbt – in dem es die Inhalte der Medienhäuser auf der eigenen Seite in einer KI-Zusammenfassung anbietet. Dabei stehen Medienhäuser und Google gewissermaßen in einer gegenseitigen Abhängigkeit: Schließlich muss Google die Inhalte erst irgendwo herbekommen, um sie von KI zusammenfassen lassen zu können.
Deals zwischen Techunternehmen und Medienhäusern
Seit dem Jahr 2023 gibt es aber auch schon Deals zwischen KI- und Medienunternehmen, in denen sich die Techkonzerne Zugang zu deren Inhalten sichern – für die Inhalte selbst und das Training ihrer Chatbots. So ist OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT, unter anderem Verträge mit dem „Guardian“, der „Financial Times“ und dem Verlagshaus Axel Springer eingegangen. Ein Deal zwischen OpenAI und News Corp, dem Eigentümer des „Wall Street Journal“, könnte (einem Bericht des „Wall Street Journal“ zufolge) 250 Mio. Dollar über fünf Jahre wert sein. Google hingegen hat einen Deal mit der Nachrichtenagentur Associated Press geschlossen, Meta arbeitet mit der Nachrichtenagentur Reuters zusammen und das KI-Start-up Mistral mit der Nachrichtenagentur AFP. Während die „New York Times“ im Jahr 2023 noch OpenAI auf Urheberrechtsverletzung verklagte, gab das Medienunternehmen im Mai 2025 einen Lizenzvertrag mit Amazon bekannt.
Auch die EU-Kommission prüft schon, ob Googles KI-Übersichten die Urheberrechte von Medienhäusern verletze, wie „Euroactiv“ im April berichtete. Dabei könnten die Regeln des Digital Services Act und des Digital Markets Act relevant werden, sagte ein Sprecher der Kommission. Auch eine Gruppe unabhängiger Verleger aus Großbritannien, die Independent Publishers Alliance, hat gegen Googles KI-Übersichten Beschwerde nach EU-Kartellrecht eingereicht, wie Reuters berichtete.
Für Google selbst ist die Frage, ob Nutzer ihre Informationen traditionell über die Suchmaschine ansteuern oder sich mit KI-Zusammenfassungen zufrieden geben, relevant: Die Suche und die damit verbundenen Werbeeinnahmen sind beim Mutterkonzern Alphabet für gut die Hälfte des Umsatzes und drei Viertel des Gewinns verantwortlich. Ob dieses Modell auch in Zukunft so funktionieren kann, wird sich zeigen. Bei der Vorstellung der Quartalszahlen gab sich CEO Sundar Pichai nun aber optimistisch: KI sei „für alle Teile des Geschäfts“ positiv. Mit den KI-Übersichten habe man die Menge der Suchanfragen um zehn Prozent steigern können, wodurch auch die Anzeigenerlöse im Jahresvergleich um 10,4 Prozent auf 71,34 Mrd. Dollar zugelegt hätten. Unterm Strich stieg der Konzernumsatz um 14 Prozent, die Aktie legte zeitweise zwei Prozent zu.