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Zollabkommen: Nichts ist sicher bei Trump – genau darin liegt Europas Chance

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Beim Zoll-Deal mit den USA kommt es für die EU nicht auf jedes Zahlen-Detail an, solange die Richtung stimmt: Durch das Abkommen wird Europa als Absatzmarkt für US-Unternehmen wieder wichtiger

Zu Beginn dieser Woche gab es wieder mal eine lebhafte Diskussion in unserer Morgenkonferenz. Es ging um die Frage, wie nun der Handschlag auf dem Golfplatz von Turnberry in Schottland respektive das Handelsabkommen zwischen den USA und der EU zu bewerten sei. Die Capital-Redaktion war in zwei Lager geteilt: Für die einen war in den Verhandlungen mit den USA eben nicht mehr rauszuholen, ein Importzoll von 15 Prozent auf die meisten Waren aus Europa sei immer noch besser als einer von 30 Prozent. Und all die Zusagen für Investitionen sowie Öl- und Gaseinkäufe in den USA seien doch ein guter Bluff – denn weder könnten die USA genug Öl und Gas liefern, noch könne die EU europäische Unternehmen zwingen, dem großen Deal zu folgen und ihren Einkauf oder ihre Investitionsplanung neu auszurichten.

Die andere Fraktion wandte ein, es sei ein Fehler von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gewesen, nicht härter gegenüber Donald Trump aufgetreten zu sein – Trump verstehe nur das Recht des Stärkeren und hätte daher mit hohen Gegenzöllen wahrscheinlich zum Einlenken bewegt werden können. So, wie es China vorgemacht habe. Zudem willige die EU in den Bruch aller Regeln für einen liberalen Welthandel ein, indem es den USA einen Marktzugang in Europa zusage, den es anderen Ländern verwehre.

Mein Kollege Nils Kreimeier befriedete die Diskussion schließlich mit dem lakonischen Einwurf, diese Vereinbarung sei ohnehin nichts wert. Trump werde sich bestenfalls ein paar Tage daranhalten, um die Zolldrohung bald wieder auf den Tisch zu legen, wenn ihm danach ist. Auf diese Position konnten sich schließlich alle einigen. Gleichwohl haben die Kollegen ausführlich analysiert, was von den angeblich 750 Milliarden für Öl und Gas zu halten ist und was der Deal für wichtige deutsche Industrien bedeutet.

Alles kann sich unter Trump jederzeit wieder ändern

Wir alle konnten ja nicht ahnen, wie schnell Kollege Kreimeier mal wieder bestätigt werden würde. Denn schon am Tag darauf machten unterschiedliche Interpretationen von dem die Runde, was Trump und von der Leyen angeblich vereinbart hatten. Für diesen Freitag ist nun ein neues gemeinsames Statement angekündigt, das die ziemlich großen Differenzen zwischen Brüssel und Washington beilegen soll. Bis zum Redaktionsschluss dieses Newsletters lag es noch nicht vor, aber offen gestanden gilt auch danach, was der Kollege schon am Montag anmahnte: „Freut Euch nicht zu früh!“ Trump wird sich nicht sehr lange an egal welches Abkommen gebunden fühlen – das zeigt ja schon sein jüngster Sinneswandel gegenüber Kanada: Importe aus Kanada sollen plötzlich doch mit einem höheren Importzoll belegt werden, da die kanadische Regierung die Anerkennung eines Palästinenser-Staates erwägt.

Auch nach einem möglichen Zoll-Deal mit den USA gilt also: Nichts ist sicher, alles kann sich unter Trump jederzeit wieder ändern. Denn es ist genau diese Unsicherheit, die Trump nutzt – offene Erpressung als Mittel der Politik. Was zu der eigentlich spannenden Frage führt, ob und falls ja wie sich Europa und Deutschland noch aus Trumps Schwitzkasten befreien können?

Eine schnelle Antwort oder Strategie gibt es auf diese Frage leider nicht – das ist genau die Schwäche Europas, aus der Trump einen Teil seiner Stärke ziehen kann. Die USA mögen die Welt wirtschaftlich und militärisch dominieren, als Waffe gegen Europa kann Trump jedoch vor allem die Abhängigkeit hiesiger Unternehmen vom US-Markt verwenden. Die Geschäfte in China laufen schon seit geraumer Zeit nicht mehr so blendend, Trump selbst tut alles dafür, um auch diese Handelsbeziehungen weiter zu schwächen. Jenseits des eigenen Marktes kann Europa nur darauf hoffen, dass wenigstens die USA als Absatzmarkt für deutsche Autos, italienische Kaschmirpullis und französische Netzwerkkomponenten von Schneider Electric erhalten bleiben.

Doch genau an dieser Stelle entfaltet das Abkommen zwischen den USA und der EU einen gewissen Charme – gerade aus europäischer Sicht. Man muss die Fantastilliarden für Öl, Gas, Rüstung und Investitionen auch gar nicht alle für bare Münze nehmen, die Richtung ist wichtig. Indem die EU mehr Waren aus den USA beziehen wird, wird Europa als Absatzmarkt auch für US-Unternehmen wieder wichtiger – für die Rüstungsindustrie ebenso wie für die Öl- und Gas-Produzenten. Dominanz basiert immer auch auf Abhängigkeiten – um also dominanter gegenüber den USA auftreten zu können, muss Europa die USA ein wenig abhängiger von sich machen. Diese Rechnung wird nicht über wenige Monate aufgehen, auf die Sicht von drei bis fünf Jahren ist das aber durchaus möglich.

Kluger Verzicht auf Gegenzölle

Auch der Verzicht auf Gegenzölle für US-Waren, der hierzulande viel Protest erzeugt hat, könnte sich als klug erweisen. Denn Trumps Zölle zahlen nicht allein die Exporteure, wie er immer behauptet, sondern zu einem größeren Teil die Importeure – also eben die US-Amerikaner. Das ist nicht fair und wird in den kommenden Monaten wahrscheinlich den Konsum in den USA belasten, da die Preise für alle möglichen Waren dort empfindlich steigen. Natürlich werden die US-Zölle auch hiesige Unternehmen treffen, keine Frage. Doch aus Trotz und Ärger den gleichen Fehler wie Trump zu begehen, wäre ziemlich töricht. Denn dann würden auch hiesige Konsumenten für Trumps Politik bezahlen.

Wichtiger ist da schon, was die Bundesregierung in Berlin diese Woche parallel zu den Zollverhandlungen auf den Weg gebracht hat – und vor allem auch, was sie nicht auf den Weg gebracht hat: Beschlossen wurde der Entwurf für einen Bundeshaushalt 2026, der deutlich mehr Investitionen, höhere Ausgaben für die Bundeswehr und deutlich mehr Schulden vorsieht. Nicht beschlossen wurden hingegen Reformen, die die Wirtschaftskraft Deutschlands verbessern würden. Ersteres, also die höheren Ausgaben, sind aus zwei Gründen zwingend: Zum einen muss Deutschland mehr im Inland investieren, damit die Wirtschaft überhaupt wieder stärker wachsen kann – dies gilt umso mehr, da der Absatz im Ausland zunehmend unsicher wird. Das Land braucht eine Generalsanierung. Zum anderen unterfüttern die höheren Ausgaben für Infrastruktur, Digitalisierung und Rüstung auch von der Leyens Deal mit Trump durch konkrete Beträge.

Allerdings wären echte Reformen an den Strukturen im Land ebenso zwingend: ein Abbau der Bürokratie, eine Digitalisierung und Vereinfachung der Verwaltung sowie Reformen am Arbeitsmarkt und in den Sozialsystemen. Gar nicht zwingend nur Ausgaben- und Leistungskürzungen wie anno dazumal mit der Agenda 2010 (die wird es wohl auch geben müssen, da in der weiteren Finanzplanung des Bundes ab 2027 ein gigantisches Haushaltsloch klafft) – sondern vielmehr Reformen, die die Investitionsentscheidungen von Unternehmen beflügeln: Die beschlossenen Sonderabschreibungen auf drei Jahre waren richtig, aber sie reichen dafür nicht aus. Es braucht echte Reformen im Verwaltungsrecht und in den öffentlichen Strukturen, die dieses Land schneller, leistungsfähiger und innovationsfreudiger machen. Außer Sonntagsreden hat man dazu bisher wenig Konkretes gehört – weder von der Wirtschaftsministerin noch von dem eigens neu berufenen Digitalminister.

Nach der Sommerpause wird die Regierung Merz ein großes Kunststück fertigbringen müssen: Sie muss den für große Koalitionen typischen Reformattentismus überwinden. Nur wenn ihr das gelingt, wird das zurückkehren, was dieses Land neben höheren öffentlichen Investitionen gerade am dringendsten braucht: Zuversicht. Oder auch jenes Quäntchen Mut und Selbstvertrauen, das jeder Bürger und jede Bürgerin – eben auch die Unternehmen – gut gebrauchen können, um in einer Welt, die deutlich rauer geworden ist und auch noch rauer werden wird, zu bestehen.

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